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Havarie des Holzfrachters „Pallas" vor Amrum

Luftaufnahme auf das Motorschiff "Pallas". Ein Teil der Deckslast ist bereits verbrannt, während ein anderer Bereich in Flammen steht. Die See ist aufbrausend und schlägt hohe Wellen. MS "Pallas" in Flammen (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Die "Pallas" in Flammen. | Quelle: Wasserstraßen und Schifffahrtsverwaltung

Die Holzladung des Motorschiffes (MS) „Pallas“, das sich auf der Reise von Schweden (Hudiksvall) nach Marokko (Casablanca) befand, geriet am 25. Oktober 1998 bei stürmischem Wetter vor der dänischen Nordseeküste aus ungeklärter Ursache in Brand. Die Schiffsführung beabsichtigte den dänischen Hafen Esbjerg anzulaufen, aber dies untersagte die dortige Hafenbehörde aufgrund der Wetterbedingungen. Ohne Lotsenberatung und die entsprechende örtliche Seekarte an Bord, war ein Einlaufen in den Hafen für den Kapitän nicht möglich. Da es der Besatzung nicht gelang, den Ladungsbrand zu löschen, setze sie einen Notruf ab. Zudem entschloss sich die Besatzung vorsorglich das Rettungsboot zu Wasser zu lassen, was aber aufgrund technischer Probleme nicht gelang. Bei der anschließenden Rettung der Besatzung durch dänische und deutsche Rettungshubschrauber wurde ein Seemann schwer verletzt und ein weiterer tot geborgen. Dieser verstarb an einem Herzinfarkt.

Nach der Rettung der Besatzung unternahmen die dänischen Dienststellen keine weiteren Maßnahmen zur Brandbekämpfung oder auch Bergungsversuche. Der Reeder der MS „Pallas“ wurde noch darauf hingewiesen, seinerseits die Bergung des Schiffes zu veranlassen.

Die „Pallas“ vertrieb am 26. Oktober 1998 führerlos aber mit laufender Maschine in die deutsche AWZ in Richtung der Insel Sylt. Gegen Mittag des 26. Oktober 1998 begannen die zum Unfallort beorderten bundeseigenen Mehrzweckschiffe „Mellum“ und „Neuwerk“ – unterstützt durch sechs Feuerwehrleute der Feuerwehr Cuxhaven – mit der Brandbekämpfung. Diese beschränkte sich zunächst auf das Kühlen der Außenhaut und das Löschen der Flammen an Deck, da ein Löschangriff auf das Schiffsinnere vom Deck aus nicht möglich war. Ein erster Versuch, eine Schleppverbindung mit schwerem Schleppgeschirr zwischen dem MZS „Neuwerk“ und dem MS „Pallas“ herzustellen, scheiterte, weil ein Vorläufer (Hilfsleine) am Vorschiff des MS „Pallas“ brach und sich die Schleppleine in einem Propeller des MZS „Neuwerk“ verfing. Ein weiterer Schleppversuch des MZS „Mellum“ gelang zunächst, scheiterte bei immer noch schwerem Wetter aber nach 16 Stunden. Im Folgendem scheiterten auch mehrere Versuche eines vom Reeder beauftragten Schleppers, eine Schleppverbindung herzustellen. Ein am 27. Oktober per Hubschrauber auf dem Havaristen abgesetztes Besatzungsmitglied des MZS „Neuwerk“ konnte schließlich einen Anker der „Pallas“ werfen. Der ausgebrachte Anker konnte allerdings die Drift nicht stoppen und so trieb der Havarist weiter in Richtung Küste. Noch einmal gelang es Besatzungsmitgliedern des Hochseeschleppers „Oceanic“ und des MZS „Neuwerk“ eine weitere Leinenverbindung herzustellen. Nach erfolgreicher Herstellung der Schleppverbindung wurde der ausgebrachte Anker abgebrannt. Doch auch diese Schleppverbindung brach. Der dann geworfene zweite Anker der „Pallas“ hielt ebenfalls nicht und das Schiff trieb in das Wattenmeer. Mehrere durch den Reeder veranlasste Abbergeversuche führten nicht zum Erfolg. Der Havarist vertrieb weiter, ehe er schließlich immer noch brennend am 29. Oktober 1998 südwestlich von Amrum festkommt. In den nächsten Tagen traten aus ersten Rissen der Außenhülle geringe Mengen Öl aus. Am 6. November wurde das Schiff zum Wrack erklärt und brauch tags darauf vor Amrum auseinander.

An Bord des Havaristen befanden sich insgesamt rund 760 Quadratmeter Betriebsstoffe (Diesel- und Schweröl als Treibstoff, daneben Hydraulik-, Schmier- und Altöl), davon 657 Kubikmeter Schweröl. 566 Kubikmeter konnten aus den Tanks abgesaugt werden. Weitere 55 Kubikmeter nahmen Ölbekämpfungsschiffe vom Wasser auf oder wurden von Stränden entfernt. Der Rest war offenbar verbrannt. Durch das ausgelaufene Öl verendeten rund 16000 Seevögel.

Die Gesamteinsatzkosten (Bergung, Sicherung, Öl- und Brandbekämpfung) beliefen sich auf rund 30 Mio. DM. Die Versicherung hat zum Ausgleich der Kosten ca. 3,5 Mio. DM ausgezahlt.

Im Anschluss an das Geschehen wurden die Umstände der Havarie eingehend untersucht sowie Empfehlungen für Verbesserungen des Notfallmanagements von verschiedenen Stellen formuliert. Unter anderem war die Havarie zehn Monate später Gegenstand einer Verhandlung vor dem Seeamt Kiel, das in Cuxhaven in einer fünftägigen mündlichen Verhandlung den Versuch unternahm, die Umstände und Ursachen zu klären und Lehren für ein zukünftiges Krisenmanagement zu ziehen. In seinem Spruch gab das Seeamt somit die Ereignisse wieder, wie sie aus den Aussagen der befragten Zeugen und Gutachter rekonstruiert werden konnte.

Zeitungsbericht zum Spruch des Seeamtes in Bezug auf die Havarie "Pallas". Überschrift: "Fehlte nur das Glück? - Seeamt stellt auch Mängel fest." Zeitungsbericht: Spruch des Seeamtes (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Zeitungsbericht zum abschließenden Spruch des Seeamtes in der Verhandlung zur Havarie "Pallas". | Quelle: Kieler Nachrichten vom 23.08.1999


Eine „Unabhängige Expertenkommission Havarie Pallas“ unter dem Vorsitz des ehemaligen Bremer Hafensenators Claus Grobecker präsentierte am 16. Februar 2000 einen Untersuchungsbericht, den sie im Auftrag des damaligen Bundesministeriums für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (BMVBS, heute BMVI) erstellt hatte. In diesem Untersuchungsbericht formulierte die Kommission Empfehlungen für Maßnahmen, die in Zukunft zur Verbesserung der Schadensbekämpfung bei Schiffsunfällen führen sollen - siehe Einrichtung des Havariekommandos .

Neben den oben genannten Untersuchungen setzte sich weiterhin eine Schwachstellenanalyse der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit der „Pallas“-Havarie auseinander. In dieser Analyse wurden 21 Schwachpunkte im Umgang mit der Gefahrensituation festgestellt. Diese bezogen sich nicht nur auf die direkte Gefahrenabwehr vor Ort, sondern überwiegend auf das Auftreten der betroffenen politischen Stellen und den Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten.